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Wie aus zwei Abenteurern ein Traumpaar wird.

Vom Rendezvous zum Glamour-Paar

2023

Der Morgen über Brünn liegt kühl und klar, als Elly Beinhorn aus dem Wagen steigt. Die berühmte Fliegerin ist auf Vortragsreise in der Tschechoslowakei, eingeladen von einem lokalen Fliegerklub. Ein Abstecher ins Fahrerlager des Masaryk-Rennens ist eher Höflichkeit als Leidenschaft – sie kennt die großen Namen, allen voran Auto-Unions Star Hans Stuck, den sie später wohl als Sieger wird beglückwünschen dürfen.

So jedenfalls erzählt man es ihr.

Doch dann bricht der Lärm los. Ein Aufheulen, ein Kreischen, ein Fernglas voller Staub und Bewegung. Und plötzlich steht nicht der gefeierte Stuck auf dem Podium, sondern ein schlanker, noch fast bubenhafter Mann mit breitem Grinsen und zerzausten Haaren: Bernd Rosemeyer, 26 Jahre alt, kaum jemandem ein Begriff – bis zu diesem Moment.

Beinhorn tritt hinzu, höflich, ein wenig erstaunt, und reicht ihm die Hand. Später wird sie sagen, ihr sei dieser junge Sieger vor allem „unbekümmert“ erschienen. Ein Naturtalent, hieß es im Fahrerlager. Ein Wilder. Einer, der keine Angst kannte. Und er lässt ihre Hand eine Spur zu lange nicht los.

Noch am selben Abend sitzt Rosemeyer bei einer Feier neben ihr – nicht zufällig, wie sich herausstellt. Er sucht das Gespräch, lacht viel, erzählt von Motorrädern und erster Probefahrten im Auto-Union-Rennwagen. Sie hört zu, freundlich, mehr nicht. Für sie ist er ein sympathischer Junge aus einem ganz anderen Universum.

Doch Rosemeyer hat längst beschlossen, dass dieser Abend kein Zufall ist. Er verfolgt sie nicht im aufdringlichen Sinne – eher mit einer fast schelmischen Selbstverständlichkeit. „Warum eigentlich nicht?“, scheint sein Blick zu sagen. Seine Leichtigkeit ist entwaffnend.

Er taucht plötzlich bei einem ihrer Vorträge auf. Dann bei einem zweiten. Dann in Berlin, wo sie gerade landet. Immer wieder steht er da, als hätte er nur zufällig denselben Weg wie sie gewählt. Und jedes Mal nimmt er sich Zeit. Kein Pathos, kein großes Werben – dafür eine stille Hartnäckigkeit, die ihr irgendwann auffällt.

Beinhorn ist zu diesem Zeitpunkt auf dem Höhepunkt ihrer Karriere. Sie fliegt Messerschmitts, überquert Kontinente, füllt Säle. Und sie weiß, was von einer verheirateten Frau erwartet wird: Sesshaftigkeit. Rücksicht. Vielleicht ein Kind. Sie spürt, wie diese Erwartungen an ihr zerren könnten.
Rosemeyer hingegen, so scheint es, spürt davon gar nichts.

Für ihn ist klar: Das wird etwas Großes. Sie passen zusammen, weil beide den Himmel lieben – er in Form von Geschwindigkeit, sie in Form von Höhe. Er spricht schon früh, fast beiläufig, von Zukunft. Von einem Leben zu zweit. Sie reagiert skeptisch. Nicht weil ihr etwas an ihm missfällt, sondern weil sie nicht weiß, ob sie bereit ist, etwas von sich abzugeben.

Und dann sind da ihre Eltern. Skeptisch, fast abweisend. Ein Rennfahrer. Ein Beruf, der jedes Wochenende Tod und Triumph in den gleichen Atemzug legt. Kein Fundament für eine Familie, denken sie. Und Beinhorn spürt diesen Widerstand stärker, als sie zugibt.

Dazu wird ihr öffentliches Auftreten kompliziert. Die Presse stürzt sich auf das neue Abenteurerpaar. Sie will nicht „die Freundin des Rennfahrers“ sein, will nicht, dass jemand ihre Unabhängigkeit als Pilotin infrage stellt. Oft steht sie bei Rennen unauffällig hinter den Mechanikern, verborgen unter einer Mütze, um nicht erkannt zu werden.
Doch er bleibt. Immer freundlich. Immer unerschrocken. Und jedes Mal, wenn er vor ihr steht, entsteht dieser kleine Moment, in dem sie ihn ansieht und spürt, dass er sie wirklich sieht – nicht die Rekordfliegerin, nicht die Medienfigur. Sondern sie.

Es heißt, sie habe anfangs mehr für Hans Stuck übrig gehabt. Vielleicht stimmt es, vielleicht ist es nur eine hübsche Legende – schließlich war Stuck der große Star, der sichere Siegertipp. Doch spätestens nach Brünn ist ihre Aufmerksamkeit verschoben. Nicht durch Glamour, sondern durch Rosemeyers unverstellte Art.

Er wirkt auf sie wie ein junger Mann ohne Arroganz, ohne Kalkül, ohne Angst. Einer, der das Leben nimmt, wie es kommt – und der glaubt, dass man Dinge erreicht, indem man auf sie zugeht. Diese Haltung beeindruckt sie mehr als jeder Rennsieg.

Und irgendwann merkt sie, dass sie anfängt, ihn zu vermissen, wenn er nicht neben ihr steht.
Es lässt sich nicht genau datieren – kein filmreifer Kuss, kein dramatisches Geständnis –, aber irgendwo zwischen Berlin, Sachsen und einem halben Dutzend gemeinsam verbrachter Abende fällt ihre Entscheidung. Vielleicht war es ein flüchtiger Blick, vielleicht eine Bemerkung, vielleicht nur das Gefühl, bei ihm keine Rolle spielen zu müssen.

Rosemeyer spricht wenig darüber, wie ernst es ihm mit ihr ist. Er lebt es einfach. Und irgendwann, vielleicht an einem stillen Abend ohne Motorenlärm, erkennt sie: Dieser Mann versucht nicht, sie zu besitzen. Er möchte sie begleiten.

Das genügt.

Als sie am 13. Juli 1936 heiraten, ist fast ein Jahr seit Brünn vergangen. Beide stehen im Rampenlicht, mehr als ihnen lieb ist. Die NS-Propaganda inszeniert sie als Traumpaar des modernen Deutschland – der Rennfahrer und die Fliegerin. Hinter den Kulissen aber leben sie etwas erstaunlich Normales: Liebe, Alltag, gegenseitigen Respekt.

Rosemeyer bleibt stürmisch, charmant, manchmal ungestüm. Beinhorn bleibt freiheitsliebend, klug, zurückhaltend. Doch zusammen bilden sie ein stilles Bündnis. Zwei Menschen, die sich nicht im Spiegel des anderen verlieren, sondern darin bestärkt fühlen.

Später wird sie sagen, die Zeit mit ihm sei die glücklichste ihres Lebens gewesen. Ein Satz, der alles erklärt, was Worte sonst nicht fassen können.

Und wenn die Witwe auch Jahrzehnte später über ihn spricht, klingt in ihrer Stimme nichts Vergangenes. Nur Wärme.

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